Oma Mundi oder: Das Glück, seine Eltern schreibend (nicht) zu enttäuschen
Von Anna Pieger
Über die eigene Familie zu schreiben ist gefährlich. Schreiben ist das Gegenteil einer fröhlichen familiären sonntäglichen Kaffeetafel. Schreiben bohrt bis dahin, wo es wehtut, dann dreht es den Stift raus und notiert, was da unten ist. Oder auch da oben.
Da oben ist meine Oma. Im Himmel.
Da unten ist meine Oma. Im Sarg in der krümeligen Erde des Münchner Waldfriedhofs.
Meine Oma ist oben und unten zugleich und mein Schreiben fährt Fahrstuhl. Muss daher leider die Kaffeetafel links liegen lassen. Der Verdacht, das da nur im Kreis herum erzählt wird, was alle schon immer zu wissen meinen, schwiegt zu schwer.
Lyrik ist nicht linear. Der Fahrstuhl hält auch zwischen den Stockwerken. Dann wird die Sprache mir fremd und die Geschichten, die ich von der Kaffeetafel kenne, steigen plötzlich auf wie Projektionen kleiner skurriler Kurzfilme. Ich werfe Netze aus Worten darauf und hoffe, dass etwas hängenbleibt.
Dasjenige, was übrigbleibt, knete ich innen drin, bis ich den Klang hören mag.
Dann lasse ich es liegen und warte.
Manchmal kann ich es auch nach acht Tagen noch gut finden. Dass ich das über meine Oma auch nach zwölf Tagen noch erträglich finde, erstaunt mich. Ich tippe es ab.
Als mich jemand danach fragt, lese ich es vor.
Im Publikum sitzt meine Mama. Ich wusste nicht, dass sie kommt. Mit ihr möchte ich doch lieber an der Kaffeetafel über die Oma sprechen, die ihre Mama ist.
Aber es ist zu spät. Das Licht am Lesetisch ist an. Der Omatext liegt bereit. Und kein anderer.
Danke, Mama, dass du zuhörst und am Ende lächelst. Danke, Oma.